Der Dolcetto ist eines der typischsten autochthonen Rebsorten des
Piemonts und wird in unterschiedlichem Ausmaß, ein wenig überall im
Piemont angebaut. Er bevorzugt kalkhaltigen Mergel in Hügellagen
zwischen 250 und 600 m ü. M., kann aber auch über 700 m reifen. Seine
Wiege liegt in der Langa. Über Jahrhunderte hat diese rote Rebsorte die
Erfolge und Nöte der Menschen auf dem Land geteilt. Sie ist keine
Pflanze mit ausgeprägter Ertragskraft, von einfacher Handhabung oder mit
einer Resistenz gegenüber Krankheiten; jedoch der Dolcetto wusste immer
seine süßen und reifen Früchte den Winzern für die Tafel zu offerieren.
Sie waren und sind auch gut geeignet, um spezielle Marmeladen (la
cognà) zu produzieren und dienen vor allem als Rohstoff für einen Wein
der ehrlichem und einfachen Art.
Historisch gesehen, war der Dolcetto Tauschware mit
Ligurien: von der Küstenregion versorgte man sich mit Öl, Salz und
Sardellen, die Basiszutaten einer der bekanntesten Gerichte aus dem
unteren Piemont, der bagna caoda. Im Gebiet um Cuneo tauschte man die
Dolcetto-Trauben mit in der Ebene gezüchteten Kälbern, um so in den
Ställen auf den Hügeln Rassetiere zu haben.
Der Wein aus Dolcetto war in den siebziger bis
achtziger Jahren sehr beliebt, als er zum alltäglichen Tischwein wurde
und die Rebanlagen breiteten sich aus. Heute ist diese Entwicklung
rückläufig; der lokale Verbraucher experimentiert auch mit anderen
Weinen. Der Dolcetto behält jedoch eine unverwüstliche Rolle für die
Menschen bei, die ihn normalerweise als Tischwein nutzen. Der Name der
Rebsorte rührt von der besonderen Süße des Fruchtfleisches der Traube;
die Weine aus ihr sind jedoch ausschließlich durchgegoren und
ausgesprochen trocken und durch eine zurückhaltende Säure und einen
angenehmen, leicht bitteren Nachgeschmack gekennzeichnet. Je nach
Anbaugebiet und Art der Weinbereitung ergibt der Dolcetto junge, leicht
trinkbare Weine, die das tägliche Mahl dank ihrer Milde und Frische im
Geschmack begleiten und zu vielen verschiedenen Gerichten passen; oder
er ergibt entwickelte Weine mit Körper und Struktur, die dank der
geschickten Arbeit im Weinberg und der gewissenhaften Handhabung im
Weinkeller sechs bis sieben Jahre reifen können. In den zwanziger und
dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die Trauben des Dolcetto
oft für die sogenannten Traubenkuren eingesetzt wegen ihres delikaten
Geschmacks und dem geringen Gehalt an Säure und Tannin. Die
Dolcetto-Trauben haben in der Tat remineralisierende, entschlackende,
harntreibende, abführende und den Magen entlastende Eigenschaften, in so
fern sie die Leberdränage vereinfachen.
DAS KLIMA Da der Dolcetto anspruchsvoll in allem ist, so ist er es auch beim Klima. Diese Traube verträgt weder übermäßige Hitze noch große Kälte, die beide zu einer Unterbrechung oder einer Verlangsamung des Reifungsprozesses führen können, sie mag auch die Trockenheit nicht, Wasser ist für sie unentbehrlich, deshalb gedeiht sie am besten im Klima der offenen Hügel, mit seiner angenehm frischen Luft in der Nähe der Berge. Der unaufhörliche Wechsel von Sonnen- und Regentagen, unterschiedliche Temperaturen und Winde, die Art und der Moment, mit denen die Kälte einer Nacht einen Rebstock überfallen kann, formen eine subtile Sprache, die beim Menschen im Laufe der Zeit ein gut geübtes Ohr erfordert. Eine Sprache, die der Weinberg sofort zu deuten versteht und die eine der drei grundlegenden Elemente darstellt, von dem, was wir Terroir nennen, gemeinsam mit der Bodengeologie und dem Arbeitseinsatz des Menschen. Im Unterschied zu anderen Gegenden, wo die Charakteristiken der verschiedenen Jahrgänge nicht so deutlich sind, sind hier die Kombinationen von Temperatur, Licht und Regen unendlich viele und erklären die ständigen Unterschiede, die wir in den Weinen finden. Unmöglich, etwas vorherzusehen, einfacher ist es, Bilanz zu ziehen….
DER BODEN Von den Weinreben, die gleichmäßig in ordentlichen Reihen stehen, sehen wir nur den oberirdischen Teil, die Ranken und die Blätter, die in den Himmel wachsen, aber in Wirklichkeit spielt sich viel der Existenz der Pflanzen unter der Erde ab. Weit entfernt davon, nur eine leblose Stütze zu sein, ist die Erde in ihrer Zusammensetzung, in der Qualität ihrer Mineralien, in ihrer Fähigkeit zu erkalten oder sich zu erwärmen, in ihrem Reichtum an Mikroorganismen der Ort, in den die Rebe ihre Wurzeln treibt, auch viele Meter lang und der einen großen Teil ihres Charakters bestimmt. Der Dolcetto, der so empfindlich ist für jedes Element aus dem sich seine Existenz zusammensetzt, ist es aus gutem Grund besonders hinsichtlich des Bodens. Es gibt nur wenige Böden, wo er sich im Gleichgewicht befindet, viele jedoch, wo wenige Wochen vor der Reifung die Trauben auf die Erde fallen wegen zu hoher Feuchtigkeit oder Bodenverstopfung. In stark sandhaltigen Böden keimt der Dolcetto früher, dank der Erwärmung der Wurzeln, aber hier leidet er mehr als in anderen Böden unter der Erkaltung durch Regen im Frühling oder noch schlimmer im späten Sommer. In Schlamm-Lehmböden beginnt das Wachstum durch die Schichten langsamer, hat aber auch eine stark negative Reaktion auf die langsameren klimatischen Widrigkeiten. Dogliani hat das seltene Glück, ideale Anbaugebiete für die Entwicklung des Dolcetto anbieten zu können.
WEINHERSTELLUNG Der Dolcetto ist bekanntermaßen eine der schwierigsten Trauben für die Weinherstellung, er verlangt viel Aufmerksamkeit und Erfahrung. Diese Trauben sind eine Herausforderung aufgrund der stark entwickelten Kerne, drei in jeder Beere, die im Vergleich zu anderen herausragenden tanninhaltigen Weinen, nur schwer reifende und mit Sauerstoff zu verbindende Tannine enthalten. Selbst ihr delikates Aroma ist oft in Gefahr. Die Wahl der Vergärungstemperatur, die Schnelligkeit bei den Umfüllungen und der Sauerstoffanreicherung des Mostes, die Beachtung der Unversehrtheit der Haut sind entscheidend für die Konservation und die Hervorhebung des Duftes. Bei der Verfeinerung dann die Aufmerksamkeit auf die Reduktionen und die Schwefelgerüche, der Gebrauch von Holz oder Stahl, als dass stellt für den Produzenten neue Herausforderungen dar, denn in seinen Händen befindet sich ein Wein, der bis vor noch nicht allzu langer Zeit nur als jung und fruchtig definiert wurde, jetzt aber beginnt, fest auf Tradition verankert, neue Perspektiven und neue Ausdrucksweisen zu versprechen.