Das Piemonte ist eine der Regionen Italiens mit den meisten legendären Läden: Konditoreien, Cafes, Apotheken, Tabakläden, Buchhandlungen, Hutgeschäfte … Da bleibt nur die Qual der Wahl. Inmitten von heißer Schokolade mit Sahne, einem alten Borsalino d’antan, Arzneirezepturen aus der Apotheke und feiner Salami beginnen wir unsere Reise, wobei betont werden soll, dass wir für jede Provinz jene Lokale ausgewählt haben, die der örtlichen Produktion zumindest teilweise Rechnung tragen. Der Stadt Torino, die einer eigenen Reise Wert ist, kehren wir zunächst den Rücken und beginnen unseren Rundgang in der Umgebung von Cuneo, einer Provinz, die überaus reich an legendären Handelsbetrieben ist. Fleischliebhaber sollten der Metzgerei Macelleria Noero di Carrù – bestand schon im napoleonischen Zeitalter – einen Besuch abstatten, ihre Albisola-Fliesen wurden im vorigen Jahrhundert durch graue Marmorsteinplatten ersetzt; ein Must ist das Roma di Saluzzo, einst ein Café Chantant, in dem Pariser Tänze zum Besten gegeben wurden, sowie die Eisenwarenhandlung Ferramenta Fratelli Massimino di Bra oder das Juweliergeschäft Oreficeria Tallone di Fossano. In Cuneo hingegen muss – wie es auch Hemingway tat – im Arione Caffé Pasticceria Halt gemacht werden, das seit über einem Jahrhundert die legendären „Cuneesi“ produziert, zwei Baiser-Scheiben oder ein Paar glacierte Waffeln mit einer Fülle aus Creme, Schokolade und Rum. Auch die Provinz von Asti ist reich an legendären Läden: in Cocconato gibt’s die Apotheke Farmacia SS Trinità, die mit kostbaren Täfelungen und Palmschnitzereien verkleidet ist und einst mit Rosen und Pfingstrosen geschmückt wurde, während das Textilgeschäft Negozio di tessuti Fratelli Pio di Asti seine historischen Innenräume sowie ein gusseisernes Schaufenster unter den Arkadengängen erhalten hat. In Biella geht’s zunächst zur Schuhfabrik Calzaturificio Mello, die 1907 gegründet wurde und dafür berühmt ist, das Oberleder der Schuhe für einige der Teilnehmer an der K2-Expedition von 1953 hergestellt zu haben. An der Schuhfabrik vorbei, darf natürlich das Hutgeschäft Borsalino nicht fehlen, jenes Produkt „Made in Biella“, das Al Capone und Humphrey Bogart ebenso begeisterte wie die Blues Brothers und Harrison Ford. Reist man dann weiter ins Land der Reisfelder, wo man in Zeiten der Überschwemmung meint in Vietnam zu sein, scheint Vercelli den Rekord an Apotheken zu halten: hier findet sich die Ravera mit ihrem weißen Marmorportal und den ionischen Lisenen; an einem lauschigen Plätzchen unter den Arkadengängen gelegen, zeigt die Domenicone e Patrucco in ihrem Inneren Schirmgewölbe sowie in Marmor gearbeitete und mit Blumen verzierte Originalregale und -tresen; in der luxuriösen Greppi hingegen ruhen schwere Holzregale auf gekrümmten, schwachen Säulchen. Für all jene, die nach soviel Arznei Lust auf eine gute, heiße Schokolade haben, gibt’s die Konditorei Pasticceria Taverna & Tarnuzzer, die sich noch heute stolz zum Titel „Fornitore della Real Casa“ (königlicher Hoflieferant) bekennt. Das alte Marelli-Radio aus dem Jahr 1939 – auch heute noch funktionstüchtig – unterhielt hier schon damals die Kundschaft. In Alessandria ist die Buchhandlung Libreria Bertolotti einen Besuch wert, mit ihrem L-förmigen Tresen, der von verschiedensten Symbolen symmetrisch unterteilt wird: Weltenkugel und Fernglas, Buch und Gänsefeder, Getreideähre und Sense. Oder aber die Kurzwarenhandlung Antica merceria Bertero, die auf zwei, mit einer Wendeltreppe verbundenen Etagen liegt und sich durch ihre drei hufeisenförmigen Verkaufstische auszeichnet. In Novara finden wir die Konditorei Pasticceria Castoldi, in der die berühmten Kekse verkauft werden und deren Ambiente sich vom Rationalismus der 30er Jahre beeinflusst zeigt. Der achteckige Zeitungskiosk Edicola di piazza delle Erbe hingegen wurde in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts erbaut und verfügt über einen Vorbau, auf dem Zeitungen und Zeitschriften angeordnet sind. Unsere Reise endet in der neuen Provinz von Verbanio Cusio Ossola, wo man, in Domodossola, in die Hutwerkstätte Cappelleria-laboratorio Ombrelli Bortola gehen kann, um sich einen Hut vergrößern zu lassen oder einen Spazierstock oder Schirm zu kaufen. Wenn man Glück hat, handelt es sich dabei um ein Modell, das im unweit gelegenen Schirmmuseum Museo dell’Ombrello di Gignese ausgestellt ist.